Die ausgestorben geglaubte Schweinerasse
Zu Besuch bei den bunten Bentheimern im oberschwäbischen Ostrach
Ostrach-Einhart/Deutschland 09. Juni 2023 | Text Oliver Schendzielorz | Bilder Elmar Müller + Oliver Schendzielorz
Bei meinem Besuch bei der BBQ-Week in Münsingen im Mai dieses Jahres lernte ich Elmar Müller kennen, der einen Schweinezuchtbetrieb im oberschwäbischen Ostrach-Einhart betreibt. In unserem Gespräch erwähnte er beiläufig, dass er neben seiner Schweinemast für das Hofglück-Programm der EDEKA ein Versuchs-Projekt mit bunten Bentheimern gestartet hatte. Sofort wurde ich hellhörig, da ich aus der Ausbildung zum Diplom-Fleischsommelier noch wusste, dass dies eine alte Nutzrasse aus dem Norden Deutschlands war, die jedoch schon völlig vergessen schien und eigentlich schon ausgestorben sein sollte.
Sogleich haben wir vereinbart, dass ich ihn besuchen werde, um mir die Tiere bei ihm vor Ort anzuschauen und mich über seine Arbeitsweise und seinen landwirtschaftlichen Hof zu informieren.
Bei meinem Besuch bei ihm in Ostrach-Einhart war ich begeistert von seinem Betrieb und seiner hochprofessionellen Arbeitsweise. Der Schweinestall war vorbildlich in der Größe und dem Platz, den seine Schweine darin haben. Die Tiere haben einen schönen Außenbereich, in den sie nach Lust und Laune jederzeit von drinnen nach draußen wechseln und die Sonne und das Tageslicht genießen können.
Nach einer Produktverkostung und Begutachtung seiner in seinem Hofladen angebotenen Artikel war mir sofort klar, ich brauche für meine Grillkurse und meine Events unbedingt dieses geniale Fleisch. Wir haben vereinbart, in der Zukunft zusammen zu arbeiten und gemeinsam dieses tolle Fleisch einer längst vergessenen Schweinerasse wieder auf den Grill zu bringen. Die Qualität dieses Fleisches ist ebenbürtig, wenn nicht sogar noch ein kleines bisschen besser als das Fleisch von reinrassigen Iberico-Schweinen.
Lasst euch überraschen, was für tolle Steaks und Specialcuts wir von den bunten Bentheimer-Schweinen auf den Grill bringen, natürlich alles mindestens 14 Tage im Dry Ager gereift, wie es sich für Schweinefleisch dieser Qualitätsstufe gehört. Wir halten euch auf dem Laufenden!
Die Geschichte der bunten Bentheimer Schweine beginnt in etwa der Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Norden Deutschlands war man zu der Zeit mit den Leistungen der im Stall stehenden Hausschweine nicht mehr zufrieden und begann ca. um das Jahr 1840 im Emsland, Bentheim und Cloppenburg mit der Kreuzung von englischen Berkshire- und Cromwell-Ebern und dem norddeutschen Marschschwein. Aus den Würfen dieser Kreuzungen wurden dann immer nur die auffallenden, buntgefleckten Ferkel mit den typischen Schlappohren zur Zucht weiterbenutzt. So wurde eine fruchtbare, genügsame, stressresistente und anspruchslose Schweinerasse mit guten Muttereigenschaften entwickelt, die obendrein wegen ihrer guten Fleischqualität sehr beliebt war.
In den Nachkriegsjahren war die Schweinerasse der perfekte Lieferant für exzellentes Fleisch mit einer sehr guten Fettabdeckung, das die Ernährung der Bevölkerung stabilisierte.
Mit dem Aufkommen des Wirtschaftswunders in Deutschland änderten sich die Verbrauchergewohnheiten und von nun an war nur noch fettarmes Fleisch gefragt. Auch wurden die bunten Bentheimer durch neue Wirtschaftsrassen, die schneller wuchsen und weniger Fett einbrachten, verdrängt.
Einzig der Züchter Gerhard Schulte-Bernd aus Isterburg in der Grafschaft Bentheim hielt über Jahrzehnte hinweg an der Haltung der „Swatbunten“ fest und sicherte als einziger den gesamten noch vorhandenen Bestand des bunten Bentheimer Schweines. Bei nur noch rund 100 Zuchttieren deutschlandweit war diese Rasse hochgradig vom Aussterben bedroht. Die Hartnäckigkeit von Schulte-Bernd, die Rückkehr zur Stärkung regionaler Kultur und damit auch Tierhaltung (Erhalt wichtiger genetischer Ressourcen) führen nun zu einer neuen Blüte dieser alten Haustierrasse.